Flügel, Brigitte

Mein Name ist Velvet und ich bin eine Katze

Genre: Tiergeschichte

Umfang: 102 Seiten, DIN A5, broschiert, 17 fbg. Bilder 9,90 €

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Buchbesprechung Sylvia Führer, Freiburg

Zum ersten Mal halte ich ein Buch in der Hand, dessen Autor kein Mensch, sondern eine Katze ist! Nett und humorvoll ist es geschrieben, dieses Büchlein – man möchte es am liebstem am Stück durchlesen. Es ist für Erwachsene verfasst, aber bereits ältere Teenager werden ihr Vergnügen daran finden.
Die Katze heißt Velvet, ihre Mutter starb jung. So rettete ein Menschenkind das Kätzlein, das fortan zu ihrer Ersatzmami (kurz: Emi) wurde. Emi lebt in einer sechsköpfigen Familie, aus Velvets Perspektive natürlich eine besonders kinderarme: Denn ganze zehn Jahre brauchte die Menschenmama für einen Wurf von nur vier Katzen! Es ist ein lustiges Treiben, Kommen und Gehen in dieser Familie, und die Geschichte umfasst sogar auch noch das Elternwerden der Kindergeneration, in der Zeit, als Velvet langsam alt und gebrechlich wurde.
Um in der Besprechung nicht die interessanten Wendungen der Geschichte vorwegzunehmen, möchte ich hauptsächlich über die sehr interessante Sprache und über die Erzählperspektive berichten, aus der heraus sie geschrieben ist.
Velvet bedient sich in ihren amüsantem „Miaumoiren“ der menschlichen Worte, aber ganz aus ihrer Sicht: Teller der Menschen sind und bleiben natürlich ihre „Fressnäpfe“; eine „Schnitzeljagt“ bedeutet das Auflauern vor einem Mauseloch mit dem Wunsch nach einem Fang.
Die Katze nimmt menschliche Züge an, aber nur so weit, wie sie noch auf humorvolle Weise nachvollziehbar bleiben. Beispielsweise denkt sie über „Ernährungsumstellung“ nach, statt einfach ihren Gelüsten nachzugeben, einen Vogel zu fangen.
Velvet führt nach ihrer Pubertät ein spannendes Leben mit der vierbeinigen Dorfjugend und wird selbst auch Mama von fünf Kätzchen. Bei deren Erziehung legt sie Wert auf all das, was Katzen im Umgang mit Menschen hilfreich ist: Zum Beispiel auf das Gesicht, das man machen muss, wenn man beim streng verbotenen Naschen aus Kochtöpfen erwischt wurde…
Besonders reizend ist das Buch an denjenigen Stellen, wo Redewendungen aus unserer Alltagssprache durch „Katzenmund“ erst richtig mit Sinn gefüllt werden: „Jemandem die Wunden lecken“, wenn er verletzt ist. „Diesen Typen habe ich mir gekrallt“, bei Verliebtheit. Aber dann: „Es war zunächst ein sehr vorsichtiges Umkreisen, Beschnuppern und Aufeinanderzugehen.“ Man kommt aus dem Schmunzeln nicht heraus.
Manchmal werden auch Redewendungen humorvoll an die Katzensituation angepasst: „Ich hatte alle Pfoten voll zu tun.“ Oder es werden typische Katzenaktivitäten mit menschlichem Fachjargon umschrieben, wie hier das Abschlecken der Jungen: „Linguale Körpermassage zur Anregung der Durchblutung“.
Besonders humorvoll sind die Stellen, in denen Missverständnisse entstehen: Die Katze legt eine frisch gefangene Maus als Präsent auf die Fußmatte. Die besorgte Hausfrau eilt sofort mit Schaufel und Besen herbei – natürlich um sich diesen Leckerbissen auf keinen Fall entgehen zu lassen! Sehr
liebevoll werden die unterschiedlichen Perspektiven aufgezeigt. So werden Katzenhalter sich daran erfreuen, auch die Katzensicht deutlicher wahrzunehmen, wenn mal wieder etwas im Sinne des Menschen komplett schiefgelaufen ist: Die Katze sprang an der Gardine hoch, weil eine Hummel sie verrückt machte. Oder: Die Katzenpfoten-Spuren sollten doch mit Farbe auf ein Kunstwerk gebracht werden – warum sie also nicht gleich im ganzen Wohnzimmer hinterlassen? Die Personifikation der Katze geht natürlich sehr weit und ist meistens reine Spielerei. Interessant ist es aber, überhaupt eine andere Perspektive als die eigene zuzulassen; so kann man sagen, dass dieses Buch dazu anregt, einfühlsamer zu werden.
„Velvet“ ist eine spannende Unterhaltung für Katzenfreunde, aber auch ganz allgemein für Geschichtenliebhaber. Schöne Farbfotos im Buch illustrieren passend und zeigen auf, dass diese Erzählung an der Realität orientiert ist. Eine menschliche Autorin gab es in Wirklichkeit schon: Brigitte Flügel, so ergab das Nachfragen beim Verlag, hat im Leben die Rolle der Mutter der vier Kinder gespielt.

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